Mein Tierschutzverein Strausberg, Rüdersdorf und Umgebung e.V.

Grummel, der Ausgestzte…


„Warum?“, eine Frage, die sich viele Menschen stellen. Meistens gibt es darauf auch eine Antwort. In meinem Fall ist das schwierig, denn niemand hat mir geantwortet, als ich mich fragte: „Warum?“, denn ich war ein Kater.

Es war eine dunkle Nacht. Eine kalte Nacht. Ich weiß nicht mehr genau, wie es dazu kam, dass ich in diese Lage geriet. Alles was ich weiß ist, dass ich plötzlich in meiner mir vertrauten Transportbox war und daraufhin wurde es dunkel. Nach einigen Minuten Autofahrt, rüttelte etwas, ich wurde wohl transportiert, dann wurden meine vier engen Wände abgestellt. Daraufhin hörte ich Schritte…… und die Kälte zog ein. In den kommenden Stunden durfte ich mich noch oft fragen, „Warum?“. Warum wurde ich weggebracht? Warum wurde ich nicht mehr gemocht? Warum stehe ich hier und warum bin ich allein? Allein an einem Ort, von dem ich damals nicht wusste, wo „Wo“ ist. Alles, was ich wusste war, dass ich nicht zuhause war. Alles roch unvertraut und jenseits der dünnen Wände war es fremd, sehr fremd. Das war nicht mein Heim.Ich wollte zurück, ich wollte nur verstehen was ich falsch gemacht habe. Das ist hier nicht das, was ich wollte, wohin ich wollte.

Es wurde zunehmend kälter. Ich hörte den Wind pfeifen, ab und zu raschelte es. Meine Augen nutzten mir nichts, ich war hier gefangen und über meiner Box war eine Decke. Jenseits dieser dünnen Schicht war eine fremde, kalte, dunkle Welt und ich war der Kälte ausgeliefert.Mein Magen knurrte. Wann hatte ich zuletzt etwas gegessen? So langsam bereute ich es, dass ich nicht doch nochmal vor der Reise etwas gegessen habe, aber woher sollte ich wissen, dass ich abreisen würde, wohin überhaupt und vorallem: warum?

Es wurde noch kälter. Irgendwo in der Ferne hörte ich Katzengeräusche, ganz schwach. Und da war noch etwas. Irgendwas. Nichts menschliches, etwas dunkles, etwas Fremdes, etwas… kaltes. Normalerweise konnte ich mich immer wehren, aber wie sollte ich in der Box etwas bewerkstelligen? Wie sollte ich überhaupt etwas erreichen, wenn ich nicht mal die Außenwelt erreichte? Das Gitter war zu, das habe ich probiert. Ich fühlte mich vergraben, ja…. vergraben, richtig. Nur würde ich mich unter der Erde, ganz tief, sicherer fühlen als hier. Etwas… kam nämlich näher und… verschwand wieder. War das der Wind?!Ich hörte es doch.Oder war das mein Magen?

Ich begann, mein Gefängnis nach und nach auf Schwachstellen hin zu prüfen. Das Gitter: gecheckt, da war nichts zu machen. Der Deckel: keine Option, war ebenfalls zu. Alle Lücken waren viel zu eng für mich, da passte gerade mal Luft durch und die war immer kälter. Dieser Wind… er zog durch mein Fell bis tief in meine Knochen. Ich bin froh, dass ich es hinter mir habe, aber das da… das war langsam so als würde jemand Handschuhe aus Eis über alle Pfoten oder Hände ziehen. Das werde ich nie vergessen….

So langsam knurrte mir der Magen immer mehr und mir ging es nicht gut. Angst überkam mich und ich hatte das Gefühl zu ersticken, wenn ich schon nicht erfrieren würde. „Komisch“, dachte ich mir: „wie sich doch die Ansichten verschieben.“ Vor kurzem war noch meine größte Sorge, ob ich etwas falsch gemacht habe. Davor, ob man mir was zu essen gab. Und davor… gab es überhaupt ein „davor“? So langsam verblasste die Erinnerung und wurde übermalt durch einen dicken, kalten, dunklen Stift. Ich schwebe in Gedanken zurück, sah dem Stift zu, wie er alle guten Gedanken, Fragmente von einst überzeichnete bis nur noch ein Wort sichtbar war: „Flieh!“.

Für klare Gedanken war jetzt kein Platz mehr. Ein anderer Teil meines Hirns, ein viel älterer, dunkler, archaischer Bereich übernahm die Steuerung. Einer, mit dem man nicht mehr verhandelt, sondern gegen den man verliert. Die Kontrolle verschwand, ich rutschte in Gedanken nach hinten und sah mir selbst zu, wie ich gegen alles in der Box trat in der Hoffnung, dem Gefängnis zu entkommen. Ich hatte Hunger, aber das war mir egal. Ich zitterte am ganzen Körper, aber das war mir egal. Mir war es auch egal, als ich mich verletzte, ich wollte nur eines: raus!

Als Frust und Wut endgültig die Oberhand gewannen, schlug ich gegen eine Ecke der Box und entdeckte, dass sie nicht verschlossen war. Konnte das sein? Ein Moment des Glücks? Verrückt, wenn… aber fürs Denken war keine Zeit mehr: Ich schlug gegen die Ecke und sie gab endgültig nach. Noch bevor ich den Umstand vollständig verstehen konnte, zwängte ich mich mit aller Kraft in die Freiheit, drückte mich raus, nach oben, wie ein Ertrinkender, der nach Luft schnappt. Als ich draußen war, zog ich die kalte Luft in meine Lungen und freute mich, eher die Angst wieder meine Sinne eroberte. Die Freude war kurz: Ich musste hier weg, irgendwo hin, nur weg. Sicher, es wäre besser gewesen, wäre ich an dem Ort geblieben, aber dafür hätte ich klar denken müssen und Klarheit war das, wofür mein Überlebensinstinkt nicht gemacht war. Ich rannte fort.

Fort von den Toren der Katzenstation.

Die kommenden Stunden verbrachte ich auf der Flucht. Von der Ferne her hörte ich Katzen und andere Tiere. Von der anderen Richtung… Autos?! Nur kurz freute ich mich, weil ich dachte, man würde zurückkommen und mich holen, mich wieder mitnehmen und sagen: „Komm, das war nur ein Versehen, wir wollten dir die Welt zeigen und du Dummerchen bist weg“. Aber da war niemand. Niemand Gutes kam mich holen und irgendwas Böses würde mich jagen, das wusste ich, das ahnte ich. Irgendwas war da. Ich beschloss, die Nacht auf der Flucht zu verbringen. Noch eine ganze Weile hatte ich bei jedem Auto, bei jedem Vorbeifahren in der Ferne diese kurze Hoffnung, dass alles wieder gut war. Dann verschwand es. Wo einst Hoffnung war, war Schorf meiner Tränen und Angst, einfach nur Angst.

Ich suchte überall nach Schutz. Die nächsten Stunden waren gekennzeichnet von Flucht. Von Angst. Von Sorge. Für alles andere war keine Zeit: Ich hastete von Versteck zu Versteck, suchte immer neue Gelegenheit. Alles roch anders, alles war fremd. Ich reagierte nur, die ganze Nacht. Ich hatte keine Orientierung und meine einzigen Begleiter waren Hunger und diese Kälte, diese unbarmherzige Kälte. Sie fraß sich durch alles und bot doch eine Decke vor der Dunkelheit, die mir immer weniger etwas ausmachte oder dem Hunger. Oder der Frage, wieso ich war wo ich war, wo auch immer „wo“ war.

So völlig in meiner Angst gefangen und von der überkommenden Müdigkeit geblendet, bemerkte ich nicht, dass die Dunkelheit verschwand und die Sonne langsam aufging. Das war mir auch, wenn ich ehrlich bin, ziemlich egal, denn ich wusste nicht, worauf ich mich freuen sollte. Auf der anderen Seite gab es mir die Gelegenheit, meine Umgebung zu erkunden und potentielle Feinde früh zu erkennen. Oder meine Besitzer. Sie waren irgendwo, ich wusste es. Es musste so sein, für mich ergab eine andere Welt keinen Sinn, aber ich wollte mich dem Problem erst wieder widmen, wenn ich etwas hatte, einen Ort, aber vor allem: etwas zu essen.

Als ob jemand oder etwas meine Gedanken hören konnte, sahen meine Augen etwas: etwas zu essen und, verführerisch wie es war, lag es genau so in Reichweite, sodass ich nur zugreifen musste. Ich hätte skeptisch sein müssen. Ich hätte vorsichtig sein, nachdenken, planen müssen. All das hätte ich können müssen, wäre ich nicht so geblendet. Daher rannte ich los und griff nach dem Essen…

… noch bevor ich vollständig das Geräusch vernahm, realisierte ich es: Ich war wieder gefangen. Alles wieder auf Anfang, alles für nichts und wieder nichts. Ich musste kurz schmunzeln: „Alles für die Katz“, würden Menschen sagen… aber wirklich nach Lachen war mir nicht. Und Flucht kam nicht mehr in Frage: Ich war müde und im Gegensatz zur Situation wenige Augenblicke davor hatte ich nun etwas zu essen. „Es gibt schlimmere Situationen“, dachte ich mir und beschloss, die Augen zu schließen. Nicht weil ich es wollte, sondern weil ich keine Kraft mehr hatte.

Ich beschloss, mich meinem Schicksal zu ergeben. So sollte meine Geschichte enden und während ich noch die Augen schloss, war da nur noch eine Frage… „Warum?“.

„Warum?“ war auch die Frage, wer auf die ausgesprochen dumme Idee kam, an meinem Käfig zu rütteln, als ich mich vom Ergeben an das Schicksal plötzlich zurückziehen und doch beschlossen hatte, mich zu wehren: „Komm du nur, trau dich, ich gehe nicht kampflos!“ Ich war auf alles vorbereitet: „Wenn ich gehe, dann mit einem Knall. Oder Fauchen.“ So recht wusste ich es nicht, aber ich war voller Wut.

Aber… die, die mich gerettet haben, hatten keine Wut. Sie hatten gar nichts Böses an sich. Ganz im Gegenteil: Sie strahlten eine Güte aus – gut, eine von den Leuten war etwas quirrlig, gut, aber: sie gab mir was zu essen. Die fand ich also super. Und bald sollte ich noch mehr Leute kennenlernen, die super waren, denn man brachte mich wohin und ich erkannte nicht nur, dass es der Ort war, von dem ich floh, sondern auch, dass da noch mehr waren. In den kommenden Stunden wurde ich willkommen geheißen, mit Essen versorgt – sehr wichtig – und hatte es so warm, dass die Kälte langsam wieder aus meinen Knochen verschwand. Das Leben hatte mich wieder und ich weiß nicht, womit ich das alles verdient habe. Aber eines weiß ich sicher: Diese Mesnchen sind gut.

Eine Frage jedoch, die quält mich. Manchmal wache ich ich immer noch auf, spüre, obwohl es nicht sein kann, diese Kälte und den Hunger. Und diese eine Frage: „Warum?“

Ich habe darauf keine Antwort, aber wenigstens habe ich neue Freunde. Alles, was ich immer nur wollte, war ein Zuhause. Ich will immer noch eines. Aber wenigstens habe ich Freunde und Hoffnung. Manchmal ist das mehr als vieles andere. Ich habe Glück.

Und dafür bin ich dankbar.

Text: Fortunato

Fotos: Jette, Enno

Meine Katzenstation
Datenschutz-Übersicht

Diese Website verwendet Cookies, damit wir dir die bestmögliche Benutzererfahrung bieten können. Cookie-Informationen werden in deinem Browser gespeichert und führen Funktionen aus, wie das Wiedererkennen von dir, wenn du auf unsere Website zurückkehrst, und hilft unserem Team zu verstehen, welche Abschnitte der Website für dich am interessantesten und nützlichsten sind.